Die diesjährigen Preise gehen an:
Jannik Giger und Demian Wohler in der Kategorie Videokunst
Zilla Leutenegger in der Kategorie Projektförderung
Antonio Ramón Luque und Malte Homfeldt in der Kategorie Klimawandel
Die Preise werden im Zweijahresrhythmus vom Medienkunstverein SEHNERV.org mit Sitz in Bern verliehen. 2022 wurden die Preise in drei Kategorien ausgeschrieben: «Videokunst», «Klimawandel» und «Projektförderung». Jede Kategorie ist mit einem Preisgeld von 5'000 CHF dotiert. Die Jurierung der eingegangenen Bewerbungen erfolgte in einem zweistufigen Verfahren. Im Fokus der Beurteilung standen die künstlerische Eigenständigkeit, die gesellschaftliche Relevanz sowie der unkonventionelle und innovative Umgang mit digitalen Medien. Die achtköpfige Jury setzte sich wie folgt zusammen:
Carola Ertle, Ruth Gilgen, Günther Ketterer, Frantiček Klossner, Géraldine Krebs, Cinzia Marti, Michael Sutter, Claudia Waldner.
Mit grosser Mehrheit hat die Jury das Werk «Blind Audition» von Jannik Giger (*1985) und Demian Wohler (*1984) ausgewählt. In der Begründung der Jury wird hervorgehoben: Mit ihrem Werk bewegen sich Jannik Giger und Demian Wohler virtuos transdisziplinär zwischen den darstellenden Künsten und der bildenden Kunst und eröffnen durch diese Verbindung mehrere narrative Ebenen, die von grosser künstlerischer Eigenständigkeit zeugen. Die Lust auf Kunst und auf das, was Kunst mit unserem Leben anzustellen vermag, wird fühlbar. Ein Wirbel aus Gefühlswelten zieht uns in den Bann. Als Protagonistin steht die bekannte Performancekünstlerin und Musikerin Noëlle-Anne Darbellay im Zentrum des Werks. Zwischen der charismatischen Darstellerin und der Kamera (Rebecca Meining) entwickelt sich ein schonungsloser Performance-Dialog, reich an Risikobereitschaft in grenzenloser künstlerischer Freiheit. Körperlichkeit, Stimme und Gesang vereinen sich in einer faszinierenden Choreografie von magischen Kamerafahrten, ideenreichen Perspektiven und dramaturgisch exzellentem Schnitt. Das transdisziplinäre Werk überzeugt die Jury durch das hohe Niveau in sämtlichen darin enthaltenen künstlerischen Disziplinen.
Aufgrund der Aktualität sowie der hohen künstlerische Qualität, hat sich die Jury einstimmig dazu entscheiden, das Projekt «Geschichte eines ungewöhnlichen Besuchs» von Zilla Leutenegger (*1968) mit dem Sehnerv Medienkunstpreis 2022 auszuzeichnen und zu fördern. Die multimediale Installation wird vom 3. Sept. bis 30. Okt. 2022 im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen im Rahmen der Ausstellungsreihe «Doppio» gezeigt. Die Künstlerin ist bekannt für ihre poetischen Werke, in denen sie verschiedene künstlerische Medien, Materialien und Erzählebenen verbindet. «Die Geschichte eines ungewöhnlichen Besuchs» handelt von einer Erzählung, die sich im Raum materialisiert und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sprengt. Eine lesende Figur in einer Bibliothek wird von einem Mond besucht. Der Mond wird von einem Helikopter hergebracht. Die lesende Person erzählt dem ungewöhnlichen Besucher eine Geschichte in einer ungewöhnlichen Sprache, die sich aus sieben unterschiedlichen Sprachen zusammensetzt. Aus diesem Mix entsteht letztlich eine neue erfundene Sprache, die universell erscheint aber unverständlich bleibt. Das Nicht-Verstehen der Worte, verweist wie eine «Babylonische Sprachverwirrung» auf das Fremde und auf die sprachlichen Hürden, denen wir in aktuellen Zeiten von Flucht- und Migrationsbewegungen, teilweise ohnmächtig, gegenüberstehen. Die Jury der Sehnerv Medienkunstpreise freut sich, mit der Auszeichnung massgeblich zur Finanzierung und Realisierung des Werks in der Ausstellung im Museum zu Allerheiligen beitragen zu können.
Zilla Leutenegger / Pionierin der Videokunst
«Die Frau, die auf den Mond pinkelt»
Helen Lagger, Der Bund, 07.09.2022
Die Jury hat einstimmig beschlossen, das Projekt «Könnt ihr uns hören?» von Antonio Ramón Luque (*1993) und Malte Homfeldt (*1987) mit dem SEHNERV Medienkunstpreis 2022 in der Kategorie Klimawandel auszuzeichnen. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Science-Fiction Performance, die als Live-Stream aus einem Bunker übertragen wird. Die beiden Schauspieler nutzen die Isolation im Bunker als kreative Chance. In ihrem Projekt treffen alle Facetten der Medienkunst aufeinander. Als Autoren verfassen sie Texte, als Schauspieler kennen sie die virtuosen Freiheiten der verbalen und stimmlichen Interpretation, als Performer vertrauen sie auf die Ausdrucksmöglichkeiten von Körper und Klang, virtuellem und realem Raum. Das Vorhaben der beiden Künstler beinhaltet viel Risikobereitschaft. Es könnte ins Chaos führen, aber vielleicht ist das Chaos auch ein Quell von Inspiration, im Sinn der «Unvorhersagbarkeit von Prozessen» oder der altgriechischen Deutung als «Weiter leerer Raum». Der Weg bleibt offen und das Ende erst recht. Diese Ungewissheit beschreibt auch die globale politische Situation hinsichtlich des Klimawandels. Das Projekt von Antonio Ramón Luque und Malte Homfeldt besticht durch viel Mut, sich auf einen offenen Prozess einzulassen und neue künstlerische Schritte zu wagen. Die Jury hat sich aufgrund der thematischen Relevanz und der Originalität des Vorhabens dazu entschieden, die Umsetzung des Projekts mit der Verleihung des Sehnerv Medienkunstpreises zu ermöglichen und ist neugierig auf das künstlerische Ergebnis.
Die SEHNERV MEDIENKUNSTPREISE werden ermöglicht durch die Mitglieder, die Gönnerinnen und Gönner des Vereins
sowie die grosszügige Unterstützung der Hans-Eugen und Margrit Stucki-Liechti Stiftung und der Katharina Wiedmer Stiftung.
Ihnen allen danken wir für die engagierte und tatkräftige Förderung von Künstlerinnen und Künstlern in der Schweiz.